Der Platz Saint-Médard im Zentrum von Paris ist an diesem Sonntagmorgen noch ruhig. Ein Gemüsestand wird gerade aufgebaut, vor der kleinen Kirche machen Besucher des Gottesdienstes einige Selfies. Ein schöner Platz in einem der ältesten Stadtviertel der Metropole.
Christian ist auch dort und macht einen letzten Soundcheck mit seinem Akkordeon. Seit 40 Jahren spielt er jeden Sonntag klassische französische Chansons und Menschen aus dem Viertel hören zu, tanzen, reden und lachen. Kein Touristenspektakel; hier gehört Paris noch seinen Bewohnern.
Ich begleite die bekannte Kölner Fotografin Bettina Flitner an diesem Tag bei ihrem Streifzug durch die Stadt an der Seine, möchte herausfinden, warum sie die Fujifilm X100F als ihre Immer-Dabei-Kamera mitnimmt. Und filme sie auf ihrem Streifzug mit einer Fujifilm XT-3, montiert auf dem Gimbal DJI Ronin SC.
Langsam füllt sich der Platz mit Menschen. Da ist xy mit dem roten Hut und der roten Handtasche, die sie beim Tanzen immer so herumschwingt.Die Choreografin mit den orangenen Haaren, ein Rullstuhlfahrer und auch ein Clochard, der mit einem freundlichen Gesicht und einer Weinflasche ausgestattet ist. Ein schrulliger Mikrokosmos. Und Flitner mittendrin mit der kleinen Fuji. Sie bewegt sich mit den Menschen und der Musik, lacht und gibt Küsschen. Singt einige Lieder mit. Und so ganz nebenbei, so scheint es, macht sie Fotos von den Menschen. Starke Fotos, intensiv und nah. Die Kamera ist für sie ein Türöffner, ein Kommunikator mit Fremden. Erst durch sie entstehe ein Kontakt, eine Verbindung. Flitner ist neugierig, sie interessiert sich für die Geschichten der Protagonisten, denen sie begegnet und möchte jene, die ihre Fotos später sehen, auch neugierig machen. Was bewegt Menschen? Der Wunsch, sichtbar zu werden?
Flitner ist bekannt geworden auch durch ihre Langzeit-Fotoprojekte über Rechtsradikale, über Freier und Prostituierte. Sie fotografiert diese Menschen nicht nur, sie hört ihnen zu und stellt in den Ausstellungen der Arbeiten Zitate neben die Fotos. Ohne Kommentar oder Bewertung des Gesagten..
Sie arbeitet seit vielen Jahren mit einem Nikonsystem, dazu kam vor kurzem eine Fujifilm GFX-50R und die kleine Silberne. Wohin die Reise systemtechnisch endgültig geht, ist noch offen.
Wir gehen weiter, lassen uns auf den Zufall der Strasse ein. Hoch die Rue Mouffetard, welche sich einen Hügel entlang schlängelt, sehen wir einen älteren Mann mit feinen Gesichtszügen, etwas buckelig und gekleidet wie ein Dandy, mit einer Künstlermappe unter dem Arm. Er bleibt vor einem Wandspiegel an der Strasse stehen und fährt sich durch das Haar. Ein interessantes Gesicht. Flitner spricht ihn an, er ziert sich ein wenig, schaut immer wieder auf mein relativ grosses Videoequipment. Die kleine X-100F scheint ihm unbedeutend. Dann lässt er sich doch fotografieren. Flitner erklärt mir später, gerade eine kleine Kamera ist für Andere weniger bedrohend, als eine grosse DSLR. Und es sei ihr wichtig, immer den Kontakt mit den Porträtierten zu behalten, dass diese auch ihr Gesicht sehen und kommunizieren können. Kommunikation, ein Wort, das Flitner gerne benutzt. Und auch einsetzt. In beide Richtungen.
Es dämmert und vom Seineufer hören wir Lautsprecherparolen. Eine Gruppe steht dort unten. Manche halten Kerzen in der Hand. Eine Himmelslaterne steigt nach oben, verhängt sich in einem Baum. Hier findet eine Demonstration zur Freilassung von Julien Assange statt. Paris wäre wohl nicht Paris, wenn nicht auch noch eine Blaskapelle aufspielen würde. Bettina Flitner ist auch hier in ihrem Element, bewegt sich leichtfüssig durch die Gruppe, schlängelt sich an den Bläsern vorbei und fokussiert auf den charismatischen Dirigenten. Man sieht ihren Fotos die Wachheit, Freundlichkeit und Neugierde an, die Flitner auszeichnet. Und die Unaufdringlichkeit ihrer Kamera